Die Bushaltestelle am Ufer war eine der wenigen, die noch nicht ins Netz eingespeist worden waren. Ich stand da, wartete auf den Bus und amüsierte mich über die Touristen, die nach den üblichen Anzeigetafeln suchten. Im Haus nebenan hörte ich Wasser laufen und wusste, gleich würde der dicke Nachbar ein Bad nehmen während er seiner Katze ein Liedchen vorträllerte. Das arme Ding, jeden Tag bekam sie und alle anderen Mitbewohner eine Kostprobe seiner Arbeit in der Oper, wo er zwar nur Hausmeister war, aber jedes Lied in- und auswendig kannte und nach nunmehr als 20 Jahren immer noch mit Begeisterung schrecklich schief mitsang. Am Abend waren seine Gedanken voller Tonleitern und am Morgen war er immer noch so berauscht, dass er das ganze Haus daran teilhaben ließ. Wir hatten uns daran gewöhnt. An so einiges hatten wir uns in den vergangenen Monaten gewöhnt, nachdem das System um sich griff und uns alle zu verschlingen versuchte, hatte sich die Ufergemeinde standhaft gewehrt sich ans Netz anschließen zu lassen. Hier war alles noch wie in alten Zeiten, ob das nun gut oder schlecht war, ich versuchte das Beste daraus zu machen.
Vom Uferweg aus konnte man jedenfalls hervorragend schwarzfahren. Wo ich normalerweise meine modifizierte Chipkarte einsetzte um die Automaten zu täuschen, genügte hier ein freundliches Wedeln mit irgendetwas, das aussah wie eine Karte und schon öffneten sich die Türen und ein Sitz wurde einem zugewiesen. Natürlich fuhr der Bus nicht sehr weit aber immerhin bis zum Bahnhof, wo ich meine Reise fortsetzte. Ich sollte ein Stück aufführen, drüben in der goldenen Stadt, die eigentlich lediglich goldene Eingangstore hatte, aber wen kümmert das heute noch. Es ging um ein Ablenkungsmanöver während die Opposition sich Zugang zu den Kellerräumen des alten Rathauses verschaffen wollte, zu meiner eigenen Sicherheit hatte man mir nicht verraten warum, so dachte ich auch nicht weiter darüber nach und konzentrierte mich darauf spurlos zu reisen. In den Zügen funktionierten die modifizierte Karte und das Störsignal in meiner Manteltasche. In der goldenen Stadt waren leider ausnahmslos alle Haltestellen am Netz, so dass ich die Mütze tief ins Gesicht zog um von den Kameras nicht erkannt zu werden und in der Menge der Reisenden bis hin zum Ausgang gleitete, nur noch an den Robotern im Eingangsbereich vorbei, die mir schon immer suspekt waren obwohl vergleichsweise einfach konstruiert, sie spuckten Fahrpläne aus, riefen den elektrischen Fahrservice, ratterten Werbebotschaften herunter und solcherlei Zeugs. Ich mochte ihre Augen nicht, die ständig suchend im Raum umherwanderten. Das Störsignal eingeschaltet, flitzte ich an ihnen vorbei und schon stand ich draußen, wo gerade die Schwebebahn abfuhr.
Und dann ging es los. Ich stand vorm Rathaus und überlegte noch kurz, atmete tief ein und …
„Gehen Sie weiter werte Herrschaften, hier gibt es nichts zu sehen. Ein kleiner Systemfehler, das sollte gleich behoben werden“ „Nicht wahr?“ der menschliche Angestellte wandte sich hilflos seinem Roboter zu, der die ganze Zeit nur regungslos dastand. „Sag was, C 43!“ „Diese Dinger sind zu nichts zu gebrauchen“ murmelte er schließlich, zog den Stecker aus seinem Arm und schloss sich selbst ans System an. Augenblicklich verstummte er und kurz sah es aus als hätten er und sein Robo den gleichen Gesichtsausdruck.
Wie ich das Virus eingeschleust habe? Das ist eigentlich keine spannende Geschichte, ich war darauf gekommen, dass der kleine Ölladen, der sich im Hinterhof des Gebäudes befand, mit dem internen System des Rathauses verbunden war. Warum auch immer, vielleicht ein Überbleibsel aus alten Zeiten, wo sich hier noch die Stadtbibliothek befand. Jedenfalls, gleicher Stromkreis, gleiche Datenbahnen, es war kinderleicht. Zuerst stürmte ich auf die Kassiererin zu, ein halbmenschliches Wesen, und überschüttete sie mit Komplimenten. Bat sie schließlich mir das ganz alte Travoöl zu holen, weil ich wusste, dass sie das hinten im Lager aufbewahrten. Naiv wie sie war, ging sie auch gleich los, noch ganz trunken von den Schmeicheleien, die ich mir unterwegs überlegt hatte. Ich hatte also gute fünf Minuten und brauchte vielleicht drei. Schnell schraubte ich den kleinen Kasten über der Kasse auf, achtete stets darauf, dass die Mütze weiterhin tief im Gesicht saß, falls sie hier mittlerweile doch filmten, steckte meinen Chip dazwischen und schraubte wieder zu. Ich bedankte mich noch herzlich für das leckere Öl und schon war ich verschwunden. Aus der Ferne hörte ich dann wie der Alarm losging. Planmäßig sollten sich nun alle im Hof versammeln, auf den technischen Kundendienst warten und sich nicht vom Fleck rühren. Theoretisch die ideale Gelegenheit um unbemerkt durch die Hintertür rein und wieder raus zu kommen. Wie die Geschichte letztlich ausgegangen ist weiß ich nicht, aber ich wusste ja damals selten mal, worum es eigentlich ging. Ich versuchte nur mir die Zeit zu vertreiben bis zur nächsten Geschichte.