Fundig 12: Wiedersehen

Er musste sich beim Eintreten leicht bücken, aber Sylwester passte genau durch die Tür. Er hatte einen großen Raum erwartet, aber das Häuschen bestand aus fünf winzigen Bereichen, ohne Türen, mit Dachschrägen in jeder Ecke. Es war überraschend leer und aufgeräumt, so hatte er sich die Bleibe des Mutanten gar nicht vorgestellt. In einer der Ecken stand ein kleiner Tisch auf dem schon das Essen in viereckigen, schwarzen Schüsseln dampfte. Sylwester erkannte den Geruch von Reis und Gemüse und war erleichtert. Sein Freund hüpfte durch die Gegend und führte ihn aufgeregt herum. „Hier ist die Küche und dort das Bad, deine Sachen kannst du dort ablegen. Hier kannst du schlafen“ sagte er und zeigte auf ein Sofa in einer anderen Ecke. „Wegen Frauchen mach dir mal keine Gedanken. Sie meckert gerne, aber mittlerweile ist sie es gewohnt, dass wir hier öfters Besuch empfangen“ „Ständig“ sagte die Frau des Langohrs. Sie war beinahe geräuschlos durch die Tür gekommen, setzte sich an den Tisch und lächelte freundlich. „Setz dich, Sylwester Fundig“ forderte sie ihn auf „Wir wollen essen“

Die Zeit verging wie im Flug während Floh unaufhörlich redete und redete und Sylwester machte es großen Spaß ihm zuzuhören. Er berichtete von seinen Taxifahrten und den ungewöhnlichen Gästen, die er in letzter Zeit immer wieder antraf. „Hier gehen seltsame Dinge vor, glaubt mir. Auch die ständigen Unwetter. Normalerweise müsste man meinen, das System sollte in der Lage sein, das Wetter zu regulieren. Aber sie machen es einfach nicht..ach, da fällt mir ein, ich muss noch das Dach reparieren. Ihr könnt ja schon mal den Abwasch machen.“ Er sprang auf, schnappte sich Werkzeug aus dem gegenüberliegenden Schrank und lief nach draußen. „Er ist immer so hektisch“ lachte seine Frau und fing an den Tisch abzuräumen. Sylwester half so gut er konnte, allerdings war auch dieser Mutant so blitzschnell bei der Sache, dass er kaum hinterherkam. Eigentlich stand er nur eine Weile lang herum, bis Nino, so hatte sich die Frau seines neuen Freundes vorgestellt, fertig war und begann das Schlafsofa für ihn herzurichten. „Ich hoffe, du hast eine angenehme Nacht. Floh wird das Dach mittlerweile im Griff haben, so dass es nicht mehr reinregnet. Wir hatten hier einige Probleme durch die Unwetter, das kannst du dir ja vorstellen nachdem du den Sturm in der vergangenen Nacht mitbekommen hast..“ Sie schaute nachdenklich aus dem Fenster, fütterte den Hund und zog eine Apparatur aus der Wand, die aussah wie ein Fernseher auf Rollen. „Normalerweise gibt es auf diesem Planeten gar keine Stürme. Das Meer zum Beispiel ist zum Glück noch weiterhin ruhig, das ist gut, denn mein Bruder ist Fischer. Er lebt immer drei, vier Monate lang auf einem Schiff, arbeitet dort und kehrt dann für die nächsten Monate nach Hause zurück. Sein Haus ist direkt gegenüber, ich gieße in seiner Abwesenheit die Pflanzen und kümmere mich um den Hund.“ Sie streichelte das zweiköpfige Wesen, das eine Art Schnurren von sich gab. „Na gut. Du wirst bestimmt sehr müde sein. Es kann anstrengend sein, den ganzen Tag mit Floh zu verbringen und dann auch noch auf einem fremden Planeten, in einem fremden System…Ich hoffe, du findest irgendwann einen Weg nach Hause. Bis dahin bist du hier herzlich willkommen.“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und ging ins Bad. In diesem Moment kam auch Floh das Langohr herein, fröhlich wie eh und je, obwohl er völlig verdreckt und schweißgebadet war. „Das Dach ist fertig“ verkündete er. „Ich nehme an, du willst jetzt auch schlafen gehen? Wir stehen hier sehr zeitig auf“

Sylwester schlief wie ein Stein. Am nächsten Morgen wachte er auf und glaubte zunächst, er sei zu Hause, schaute sich verwundert um und erinnerte sich langsam. Die Langohren waren schon wach, liefen geschäftig im Häuschen herum und sortierten irgendwelche Sachen. Sylwester war froh bei so freundlichen Wesen gelandet zu sein, grüßte höflich und ging nach draußen um frische Luft zu schnappen. Es war kühl, ein leichter Wind wehte. Die Sonne ging gerade auf, das Hundewesen tobte im Vorgarten herum und jagte herabfallende Blätter. „Es geht gleich los“ hörte er seinen neuen Freund aus dem Fenster rufen „Wir fahren alle zusammen“. Er eilte ins Häuschen um sich fertig zu machen.

Die Fahrt verbrachte er auf der Rückbank während das Paar sich vorne in der fremden Sprache unterhielt. Mittlerweile kannte er den Weg in die Weststadt, wo sie Nino absetzten und weiterdüsten. Floh nahm wieder einige Fahrgäste auf und fuhr quer durch die Stadt.

Sie hielten an einem der großen Kaufhäuser, die Fundig schon vom Vorbeifahren her kannte. In den Fenstern leuchteten die Reklametafeln, bunt angezogene Schaufensterpuppen grüßten schon von Weitem. Wieder schloss der Mutant das BFO an eine Art Steckdose an und sie gingen hinein.

Als erstes fielen Sylwester die Unmengen an Robotern auf, die hier beschäftigt zu sein schienen. Große und kleine, manche rund, manche viereckig, rollten sie über die laminierten Flächen, sortierten die Ware, füllten Regale auf oder saßen an den Kassen. Sie alle waren in identische Anzüge gekleidet, schwarz mit weißer Fliege. Sie bahnten sich den Weg vorbei an den dicht gedrängten Gästen, es herrschte Hochbetrieb. „Ist hier immer so“ meinte sein Freund. Sylwester hielt sich dicht bei Floh, seine Aktentasche fest an den Körper gepresst. Vereinzelt entdeckte er einige der Echsen, still und mit gesenkten Köpfen huschten sie zwischen den Regalen entlang. Manche von ihnen hatten große, abenteuerliche Hüte aufgesetzt, so dass man sie schon aus der Ferne gut erkennen konnte. Floh betrachtete sie argwöhnisch und auch Sylwester fand, sie passten irgendwie nicht richtig hierher. An der Kasse händige er dem Roboter sein Metallkärtchen aus und bekam einige grün-gelbe Scheine. „So, das wäre erledigt.“ meinte Floh und drehte sich um, um wieder zu gehen. Da sah Sylwester auf einmal einen Roboter an einem der Wühltische: aufgeregt schob er die dort liegenden Kabel und Stecker hin und her und suchte offenbar nach etwas während seine Augen immer wieder neongrün aufblinkten. Das konnte nur C sein, Fundig erkannte ihn an den Augen und den eigentümlich langen Armen. „Das ist der Roboter, der mich hierher gebracht hat“ rief er und rannte in Richtung des Wühltisches. Der Roboter blickte auf. „Keine Zeit für Erklärungen. Du kannst mitkommen, wenn du willst.“ sagte er trocken und rollte ohne zu bezahlen zum Ausgang.

Ohne groß zu überlegen folgte Sylwester dem Roboter nach draußen. C setzte sich in ein BFO, das direkt vorm Eingang stand und öffnete die Beifahrertür. Im Wegfahren sah er noch wie Floh ihnen mit seinen langen Ohren hinterherwinkte. Er hatte gar keine Zeit gehabt, sich zu verabschieden.

C rauchte mal wieder eine der schrecklich stinkenden Robokippen und raste durch die Stadt. „Wo bist du gewesen?“ fragte Fundig. „Hm. Sachen erledigt.“ murmelte C. „Wir fahren dann gleich zum Raumschiff“ „Auf einen anderen Planeten?“ Eigentlich hatte Sylwester begonnen, sich hier gerade wohl zu fühlen. „Mal sehen.“ C schien etwas abwesend zu sein. Sylwester schaute sich um: Das BFO war vollgestopft bis auf den Rücksitz, alles voller glänzender Metallteile, Räder und überdimensionaler Schrauben. C bemerkte seinen Blick und erklärte „Habe noch was am Schiff zu tun. Dauert nicht lange.“ Im Nu waren sie an der Andockstation angekommen, um die Ecke erkannte Sylwester das Lokal mit dem blauen Dach wieder. Das BFO hielt auf einer kreisrunden Fläche, C drückte ein paar Knöpfe und schon wurden sie langsam nach oben gezogen.