Die langen Ohren neben ihm wackelten leicht. Er drehte sich nach links und sah direkt in die stechenden Augen. „Na, verlaufen?“ grinste der Mutant. Fundig seufzte und wollte gerade antworten, da fuhr er fort „Kleine Stadtrundfahrt? Ich habe sowieso noch etwas zu erledigen, da nehme ich dich mit“ So gesprochen fuhr er schon los. Sylwester sah die Hochhäuser, eins nach dem anderen zogen an ihm vorbei und er wurde durch den Fahrtwind nach hinten gedrückt, bekam kaum Luft und schloss schnell das Fenster. Er sah zu dem Mutanten neben sich und betrachtete erstaunt das fremde Wesen. Die langen Ohren waren mit grauem Fell bedeckt, das rechte schraubte gerade an der Armatur während er mit dem linken einen Becher hielt. Die Augen musterten ihn aufmerksam. Fundig räusperte sich um sich wenigstens nach dem Namen des Mutanten zu erkundigen, doch der Fremde kam ihm auch diesmal zuvor. „Ich bin Floh. Ein Krzyp-Mutant, das sagt dir natürlich nichts. Es gibt zwei Arten von Mutanten auf diesem Planeten, neben den Robotern. Alle anderen sind Gäste. Also, da wären: Die Krzyp aus #17, das ist ein Planet direkt nebenan. Und dann noch die Echsen, die schwirren ja im gesamten System umher, ein eher schweigsames Volk, finde ich. Gut, zusammen mit den Baumwesen wären es also drei Arten; allerdings zähle ich die Echsen nunmal nicht dazu, diese hinterhältigen Biester, immer verdächtig, wenn Leute so wenig reden, sag mal, wie heißt du denn eigentlich?“ „Sylwester Fundig. Ich komme aus, naja, von der Erde..“ Sylwester wollte auf keinen Fall ebenfalls verdächtig erscheinen und bemühte sich etwas zu erzählen, da fiel ihm das Wesen wieder unhöflich ins Wort „Ach so ist das. Nunja, ich hatte ja schon seit Längerem so etwas erwartet, wenn man bedenkt was hier in letzter Zeit so los ist. Na, dann wollen wir mal.“ Das Fahrzeug zischte und klapperte. Bestimmt war es eins der Illegalen, er hätte auf die Nummernschilder achten müssen. Der Fahrer summte eine vertraute Melodie. „Was ist das für ein Lied?“ fragte er erfreut, die Titelmelodie einer alten Western-Serie erkennend. „Ach, das? Das ist unsere Hymne, also die der Krzyp.“ Summte fröhlich weiter. „Wir sind zwar ein junges, aber traditionsreiches Volk. Schon mal gehört?“ das Wesen schien erstaunt. „Nun ja, das ist…ich denke, es kommt mir irgendwie bekannt vor“ murmelte er um nicht Gefahr zu laufen Floh das Langohr zu beleidigen. Der Mutant sah ihn prüfend an und begann plötzlich lauthals in einer merkwürdigen Sprache zu singen. Fundig unterdrückte ein weiteres Seufzen und überlegte was er nun tun sollte. „Ich habe ja gesehen, wo du herausgekommen bist“ informierte ihn der Fahrer. „Hör mal, das ist natürlich nicht einfach..ach, was ist denn jetzt?!“ Er drehte an einigen Knöpfen an der Armatur und stellte offenbar das Radio an. Zunächst kam eine schrecklich schiefe Melodie; dann ein Pfeifton. Danach begann eine Stimme in einer fremden Sprache zu reden, unglaublich schnell, irgendwie knirschend und trampelnd wie im Galopp. Konzentriert hörte er eine Weile lang zu und drehte sich zu Sylwester. „Ich stelle mal für dich den offiziellen Sender ein“ So gesagt fummelte das rechte Ohr wieder an den Schaltern herum bis eine Stimme erklang, die Sylwester auch verstand. „…Bewohner des Planeten #5 finden ihre Ausrüstung in der Post. Die Schleifen im Norden sind bis auf Weiteres gesperrt, Gefahr besteht an der großen Abfahrt im Westen. Der Ausfall der Automatoiden in der Weststadt wurde bestätigt. Das Wetter verspricht heute wechselhaft zu werden: Wir erwarten heiteren Sonnenschein, unterbrochen durch heftige Orkanböen aus dem Süden. In den nächsten Tagen erwarten wir Stürme und Gewitter.“ Dann begann ein fröhliches Pfeifkonzert. Der Mutant pfiff leise mit und schien auf einmal ganz versunken, die haarigen Hände streichelten das achteckige leuchtende Lenkrad und die Augenbrauen zuckten ein wenig. Sylwester traute sich nicht, ihn jetzt anzusprechen, offenbar hatte man hier eigene Probleme. Ihm schossen tausend Gedanken durch den Kopf, es müsste doch für Fälle wie ihn eine Anlaufstelle geben, und wo war eigentlich C, er hatte sich an den metallenen Gefährten irgendwie gewöhnt, er war wie eine Verbindung in die Heimat. Hatte ihn schließlich hierher gebracht dann könnte er ihn doch wieder zurück befördern. Wobei er doch gesagt hatte „Ihre Heimat werden Sie nie wiedersehen, das wussten Sie doch?“ Als hätte er sich die Lage ausgesucht, war er nicht einfach nur zur Arbeit gegangen? Er versuchte sich einen Reim darauf zu machen, dachte über seinen letzten Morgen auf der Erde nach und fand nichts ungewöhnliches. Er hatte dagesessen, früh aufgewacht, und noch bevor er in den alten Zug stieg, hing er seinen Gedanken nach und tippte auf der alten Schreibmaschine. Im Zug hatte er sich unterhalten und Karten gespielt. Gute Bekannte auf dem Weg in die Stadt. Die Themen drehten sich um das Übliche, die Politik in den Großstädten, die bevorstehende Erweiterung des Schienennetzes, der Garten zu Hause. Nichts Aufregendes eigentlich. Sylwester verstand die Welt nicht mehr, was hatte er hier zu suchen, er musste es irgendwie nach Hause schaffen. Das bedeutete C wiederzufinden oder sich an die Bewohner dieses Planeten wenden, genau, das würde er als erstes tun. Vielleicht konnte ihm irgendjemand helfen. Und hier, direkt neben sich, hatte er doch schon ein erstes Exemplar, ein fremdes Wesen. „Was soll ich nur tun?“ Der Mutant lächelte. „Du weißt nicht wohin? Nunja, so viele Optionen hatse ja nicht. Das System hat dich wahrscheinlich schon aufm Schirm. Was ist das denn eigentlich, die Erde? Bei #1?“ Sylwester verstand rein gar nichts. „Nein, das ist ein Planet. Ich glaube, er liegt…in der Vergangenheit“ stellte er fest. Diese Erklärung war einleuchtend und schien den Fahrer überhaupt nicht zu verwundern. „Ach. Lass mich raten, du willst wieder zurück? Oder bist du aus einem bestimmten Grund hier? Wie bist du überhaupt hierhergekommen?“ Da erzählte Sylwester alles von Anfang an, von dem Knall am Morgen bis zu dem Moment wo C verschwunden war und er nun auf sich allein gestellt. Der Mutant nickte immer wieder, machte ein ernstes Gesicht und schien tatsächlich Anteil zu nehmen. „Nun…das ist ja mal eine Geschichte. Und nun biste hier gelandet, sowas. Tja, leider weiß ich auch nicht was man da tun kann. Du kannst dich in der Zentrale melden. Allerdings haben wir hier eine schlechte Meinung vom System, du weißt schon..ach ne, weißt du nicht. In letzter Zeit verschwinden Leute. Ohne Grund, einfach so. Und immer wieder tauchen hier Fremdlinge auf, Bewohner anderer Planeten, natürlich, wir befinden uns hier in der Roboterstadt, ein zentraler Knotenpunkt, da ist eben viel los. Aber das…manche davon habe ich noch nie gesehen, quallenartige Wesen, angeblich aus #2 habe ich neulich zur kleinen Andockstation gefahren…naja. Du kannst dich also in der Zentrale melden oder wir bringen dich zu einer der Stationen, von da aus könntest du dir ein Schiff nehmen…Aber zuerst muss ich noch ein paar Dinge erledigen, das hatte ich ja gesagt. Hast du eigentlich noch deinen Taxigutschein? Willst du ihn umtauschen? Na, das kannst du dir ja noch überlegen.“ Das Fahrzeug beschleunigte, veränderte leicht seine Außenform, und überholte eine der Straßenbahnen mit der sie gestern noch gefahren waren. „Wir fahren in meinen Laden“ sagte das Langohr fröhlich. „Ich hole dort was ab und dann müssen wir nur noch einmal in die Stadt, das wars dann auch schon“. Sylwester sah aus dem Fenster und bestaunte die Metallbauten. Eines nach dem anderen zogen sie an ihnen vorbei und, mittlerweile hatte er sich an das atemberaubende Tempo gewöhnt mit dem das BFO über die Straßen fegte, er entdeckte immer mehr, hier eine fluoreszierende Muschel am Fenster, riesengroß, klebend an der Scheibe und ihn mit einem kugelrunden Auge verfolgend. Daneben im Fenster einer der Bäume, schweigend, rauchend offenbar. Eine Gruppe kleinerer Mutanten spielte im Hof. Mütter schoben Kinderwagen an den Metallriesen vorbei. Ein fröhlicher Roboter fuhr mit Bootskates auf dem Bürgersteig, drehte sich ab und zu und machte alle paar Schritte einen kleinen Hüpfer.
Schließlich kamen sie am Laden an, eine kleine Hütte mit schiefem Dach, hier und da fehlten schon ein paar Ziegel. Fundig sah sich um: Die gesamte Gegend sah so aus, überall heruntergekommene kleine Häuschen und Hütten, klein und zerbrechlich im Vergleich zu den Metallbauten in der Innenstadt. Geschickt sprang der Mutant aus dem Wagen und jetzt erst bemerkte Sylwester wie groß dieses Exemplar eigentlich war, gute zwei Meter mit plüschigen Ohren bis zur Hüfte. „Warte mal“ sagte er und joggte ins Haus um Sekunden später wieder aufzutauchen. Schmiss etwas in den Kofferraum. „So. Das sind die Fischernetze für meine Frau. Sie knüpft sie und verkauft das Zeug dann…achja und hier noch die Verpackung“ und warf eine Briefmarke auf die Armatur. „Es entfaltet sich“ erklärte er als er den fragenden Blick bemerkte. „Das sind gute 4 Meter. Sollte reichen. In der City, weißt du, gibt es alle möglichen Läden, wirste ja sehen“ Sylwester hatte gerade noch genug Zeit sich wieder anzuschnallen, schon drückte es ihn wieder in den Sitz. Im Nu waren sie wieder in der Stadt. Das BFO bleib stehen und Floh, ohnehin nicht angeschnallt, hüpfte hinaus. Diesmal war er so schnell gefahren, dass er sich kaum orientieren konnte. Sie waren irgendwo inmitten der Roboterstadt, im Westen, wie ihm erklärt wurde. Sie standen vor einem der Hochhäuser, direkt vor dem Schild „Nur für Angestellte“. Er beschloss, mit hineinzugehen.