Wunschdenken 14: #2

Und dann geschah es. Es begann langsam, zunächst registrierten wir vermehrt ein verstörtes Verhalten der Tiere und schnell wurde die Ursache in unregelmäßigen, kaum messbaren elektromagnetischen Schwingungen gefunden. Offenbar kamen sie aus #2, einem System, das immerhin noch tausende Lichtjahre entfernt lag. Zuvor hatten sich auch hier Systemausfälle gehäuft, ein Phänomen, das uns schon von zu Hause her bekannt war. Über den intergalaktischen Autobahntunnel schickte man Kundschafter los nachdem jegliche Kommunikationsversuche an einem angeblichen Systemfehler gescheitert waren. Sie kamen nicht zurück. Auch andere Reisende waren plötzlich verschollen. Bald verbreiteten sich Gerüchte über BFOs, die wie ferngesteuert Unfälle verursachten, losrasten oder einfach mitten auf der Strecke stehen blieben. Verunsicherung machte sich breit, alles interessierte sich nur noch für #2 und den Verkehr, so dass wir das seltsame Verhalten der Roboter erst bemerkten, als es zu spät war.

Sie hatten sich verändert. Dass jeder Roboter eines bestimmten Grades ein begrenztes Maß an Individualität aufwies, war schon längst bekannt, wir hatten uns schnell daran gewöhnt, die komplexeren von ihnen als beinahe gleichberechtigt zu betrachten. Nur selten, meist wenn mehrere Roboter in einem Haushalt gehalten wurden, regte sich eine Art Unmut, manchmal zog sogar eins der Wesen aus und schlug sich als Mensch oder Halbroboter durch, da schaute niemand so genau hin. Aber das hier war anders. Sie waren launisch und aufmüpfig, verweigerten bisweilen jegliche Kooperation und schlossen sich dann stundenlang an ihre virtuellen Seher an. Wir vermuteten auch hier einen Zusammenhang mit den Schwingungen aus #2, hatten aber keine Ahnung, was da vor sich ging oder wie wir das in Erfahrung bringen könnten.

Dann kam die Welle.

Mein BFO funktionierte jedenfalls nach wie vor tadellos.

„Kein Wunder, ich habe unsere Geräte aus dem Netz genommen und alle Verbindungen zum System gekappt.“ Pepe bestand darauf, dass sich ein Virus durch das System fraß und hatte bereits seine Notfallausrüstung ausgepackt. Hatte sofort all sein Zubehör modifiziert, entkoppelt, und ein internes Netz für uns eingerichtet. Ich verstand es nicht wirklich, aber er zapfte wohl das System an ohne drin zu sein, eine Art doppeltes Störsignal, ich vertraute ihm da voll und ganz und stellte keine Fragen. Das Wichtigste war, dass es klappte: Ich konnte weiterhin mein BFO benutzen, ohne die Kontrolle zu verlieren. Natürlich mussten jetzt viele Dinge manuell vonstatten gehen, aber daran war ich durch die Rennen gewöhnt, wo wir auch alle Systemfunktionen abschalten mussten, um an der Geschwindigkeitsbegrenzung vorbeizukommen.

Die Mutanten, die uns beherbergten, schienen nervös, manchmal beinahe feindselig, als hätten wir das Unglück mitgebracht. Und natürlich war uns klar gewesen, dass die Ereignisse am 20 Januar 3001 auf #5 früher oder später ihre Wirkung zeigen würden. Das von Robotern bewohnte Werkstattsystem hatte durch einen veralteten Befehl einen Kurzschluss erlitten, nichts Schlimmes, ein paar Fabriken in den südlichen Sphären, die betroffen waren. Ohnehin gab es hier nicht viele brauchbare Planeten. Normalerweise hätte sich das Problem von alleine gelöst, es gab diverse Notfall- und Reparaturprogramme. In diesem Fall aber ging etwas schief, die Programme wurden einfach nicht abgespielt. Noch bevor wir einen Mechanikertrupp losschicken konnten war bereits der erste Planet lahmgelegt. Ein weiterer Kurzschluss und wir verloren die Verbindung. Die Mechaniker kamen nicht zurück und auch ihre Aufzeichnungen waren nicht abrufbar. Und dann gingen die Stürme los. Am Anfang lediglich kurze magnetische Schauer auf den Strecken, innerhalb weniger Wochen aber Stürme der Stufe 10-11, ab Stufe 15 war das Fahren übrigens verboten, ich persönlich hatte eine Grenze von 22 mit meinem BFO, aber irgendwann kam auch ich nicht mehr durch, alles in Richtung #5 war lebensgefährlich. Die Weltenregierung gab bekannt, dass es sich hier um einen magnetischen Sturm unbekannten Ausmaßes handelte und mobilisierte alle Mittel um an einer Art Gegenimpuls zu arbeiten. Zuletzt hatten sie die Energiespeicher der privaten Einrichtungen angezapft und die Bevölkerungen, die auf noch zu erreichen waren, darüber informiert, dass man nun bereit zum Gegenschlag sei. Dann riss die Verbindung ab. Das war auch der Tag an dem wir abreisten.

Wir hatten uns etwas Zeit verschafft, lebten ein paar Monate friedlich auf , in der Hoffnung, der Sturm würde nicht bis hierher kommen. Es sollte aber nur eine Frage der Zeit sein bis die magnetische Welle auch dieses System erreichte.