Wunschdenken 13:

Die nächsten Tage verliefen recht ereignislos. Ich fuhr stumpfsinnig hin und her, mit dem getunten BFO innerhalb weniger Minuten von Haus zu Haus, und kam mir vor wie ein Postbote. Ich kannte mal einen Postboten, der hat nachts auf immer Schlagzeug im Club 11 gespielt, ein fünfarmiger, quadratischer Kerl mit dürren, kurzen Beinchen, davon aber vier Stück. Aber das ist eine andere Geschichte. Mein Revier bestand aus der immergleichen grünen Strecke, Altstadt, Fabrik, Felder und Echsensiedlung. Es gab einen Weg quer durch den Wald, den ich manchmal nahm um mal richtig zu heizen, machte mir einen Spaß daraus, Rennen gegen mich selbst zu fahren, war aber im Großen und Ganzen eher gelangweilt. Ich staunte zwar immer noch manchmal über die seltsame Pflanze, die im Kofferraum hin und her geschleudert wurde während ich die engen Kurven nahm, aber ich dachte nicht weiter darüber nach.

Anders als Hilde, der mir den lieben langen Tag in den Ohren lag, völlig daneben, wie immer, wenn er sich in ein Thema vertieft hatte. Gelegentlich kam er mit und versuchte vom BFO aus einen Blick auf das Echsenanwesen zu erhaschen, ob dort verdächtige Dinge vor sich gingen. Ich hingegen bemerkte an den Bewohnern des Planeten nichts, was ich als außergewöhnlich beschreiben würde, das Echsenvolk freundlich aber schweigsam und reserviert, der Mutant auch nicht besonders redselig, dafür aber extrem gastfreundlich. Ständig bot er Getränke und Knabbereien an und mir war regelmäßig schlecht, weil ich aus Höflichkeit so viel essen musste. Es war einer der Neffen des Tokclans, eine Großfamilie, die die Altstadt und die meisten Teile des angrenzenden Südviertels bewohnte, einflussreiche, gebildete Mutanten, die einen Großteil der zentralen Ämter der Stadtverwaltung bekleideten. Einer der Neffen war außerdem der Chefredakteur einer der auflagestärksten Tageszeitungen, ein anderer Vorstandsmitglied des Handelsverbands. An den Toks kam man nicht vorbei auf , besonders nicht in der Hauptstadt, wo wir uns niedergelassen hatten. Der Neffe oder Cousin von irgendjemandem war so ein Grünschnabel, einer, der tagsüber schon mal in der Spielhalle hockte.

Die Jugend vertrieb sich hier gerne nutzlos mit Zeit mit ein paar sinnlosen Spielchen, Wetten auf Straußenrennen oder VR-Brillenspielen. Alles in Allem eine lästige Angelegenheit, weil sie dann regelmäßig frühmorgens völlig verstrahlt durch die Straßen irrten und mir meine Tour vermasselten. In der Altstadt musste ich immer aufpassen, dass ich nicht so einen umfuhr. Naja. Mit dem Grünschnabel hatte ich mich schnell angefreundet, die Echse hingegen blieb mir ein Rätsel. Er hatte sich noch nicht einmal vorgestellt, ich nannte ihn in Gedanken immer „den Jogger“, weil er mir zum ersten Mal in diesem Aufzug begegnet war. Der Jogger war..nun, wie sie alle waren in gewisser Weise: Sehr freundlich. Aufmerksam, mit stechendem Blick. Schwarze Augen mit grauen Pupillen, die manchmal einfach zu verschwinden schienen. Ruhig und auf den ersten Blick ausgesucht höflich, auf den zweiten eher irgendwie unpassend. An völlig falschen Stellen der Unterhaltung lächelte er, nickte oder machte sonst eine kleine Bewegung, absolut fehl am Platz, ganz offensichtlich war er unsere Art der Kommunikation nicht gewohnt. Das machte sein Verhalten nicht nur merkwürdig, sondern im Grunde auch undurchschaubar. Nie war ich mir sicher, wie er gerade gelaunt war, ob er einen Witz machen wollte oder etwas ernst meinte.