Schließlich kochte ich eine fürchterlich stinkende Brühe aus abgelaufenem Kaffeepulver und einem der Geschmacksverstärker, der wenigstens für eine angenehme Farbe sorgte. Der Fremde schlug langsam die Augen auf. Streckte sich, drehte mir den Rücke zu und wollte offenbar weiterschlafen, dann sprang er auf und stand plötzlich kerzengerade auf dem Bett. Ich sah eine merkwürdige kleine Gestalt, ein wenig buckelig, schnaufend wie ein Igel, schien er über irgendetwas sauer zu sein. Schwarze kleine Äuglein sahen mich argwöhnisch an, die ganze Gestalt wie zusammengekniffen. Mit einem Satz stand er schon vor mir um direkt vorbeizuhuschen und hinter der Theke Schutz zu suchen. Schlürfte den Kaffee und murmelte vor sich hin. Ich ging etwas näher heran um vielleicht doch etwas zu verstehen und tatsächlich richtete er das Wort an mich.
Wortkarg und immer noch irgendwie wütend erklärte er mit drei Sätzen er sei Kapitän eines großen Raumschiffs; gestrandet direkt im See Alpha 3,4. So ein Blödsinn dachte ich noch bei mir, in diesem See überlebt nichts, ließ ihn aber weiterreden, froh, dass er überhaupt etwas sagte und einen Hauch weniger verkniffen dreinschaute. Der See im Süden war wie ein Irrgarten, zugewachsen mit den mysteriösesten Pflanzen, man konnte hier und da ein Stück auf den kleinen Inseln oder den algenbewucherten Flächen laufen, insgesamt aber erstreckten sich über Kilometer giftige, brodelnde Abgründe, alles, was dort hineingeriet ging sofort zischend unter. Selbst die raffinierteste Spezialausrüstung konnte dem Ungeheuer nicht standhalten, vollgesogen mit magnetischer Strahlung verschlang es gierig, was es nur konnte. Es rankten sich Legenden um angebliche Bewohner einer Unterwasserstadt, Geschichten, an die ich persönlich nicht glaubte. Vor einigen Jahren schon hatten wir Proben aus den Tiefen genommen und ließen uns von Pepe bestätigen, diese Flüssigkeit war absolut tödlich.
Nun behauptete er also dort gestrandet zu sein, nicht etwa auf einer der Inseln sondern mittendrin. Seine Besatzung wäre noch dort und er auf dem Weg um Hilfe zu holen, schnaufte er weiter. Aber, überhaupt! Und es folgte eine lange Schimpftirade, die Weltregierung, Robotervereinigungen, Hersteller der Kakaopulverersatzmischung, alle kamen sie dran und als er schließlich fertig war, war mir wiederum ein wenig schwindelig und ich hatte fast vergessen, was ich eigentlich vorhatte.
Der Kleine huschte hinüber zum anderen Ende der Theke, und verschwand beinahe vollständig in einem der größeren bodennahen Schränke. Ich sah nur noch wie Sachen hinaus und durch die Luft flogen, Tee, Räucherstäbchen, jede Menge Plastikgeschirr und bunte Silikonförmchen. „Wo war es nur…da ist es ja!“ Er sprang auf, wie ein kleiner Flummi mit Staub in den Haaren, hustend, hielt eine kleine Schachtel in der Hand als wäre es eine Trophäe. Er steckte sie in seine Tasche und seufzte. Danach wurde er zunehmend ruhiger, setzte sich sogar irgendwann an die Theke, zog aus einem der Schränke eine verstaubte Schnapsflasche heraus und begann zu trinken. Der Regen prasselte unaufhörlich weiter und Kälte kroch langsam aber sicher unter der Tür durch, genauso wie durch das undichte Fenster. Eigentlich hätte er ja seine Berufung verfehlt, ein großartiger Musiker hätte er werden wollen, aber die lange Raumfahrttradition in der Familie und der ganze Druck und so sei er schließlich Kapitän geworden, auf einem der Frachter, die Gefahrengut transportierten. Und nun das. Er war völlig aufgelöst, schaute immer wieder Richtung Fenster als könnte er dort sein Schiff sehen, kratzte sich am Kopf und knabberte an den Nägeln. Ich hätte ihm gerne etwas geraten, war jedoch selbst völlig überfordert, glaubte teilweise, ich hätte es mit einem Wahnsinnigen zu tun und dass er sich das Schiff inmitten des brodelnd-giftigen Sees einfach nur eingebildet hatte. Zudem hatte ich eigene Probleme. Ich musste schnellstmöglich an Plasma kommen, heute noch, denn kurz vor Tagesanbruch wollte ich Hilde am BFO treffen. Das erzählte ich natürlich nicht, versuchte überhaupt zu vermeiden, besonders viel über mich preiszugeben. Macht der Gewohnheit, bei unseren Reisen durch die Galaxie lernten wir schnell, nicht groß aufzufallen, wenn wir hier und da Plasma abzapfen wollten und durch die begrenzten Speicherkapazitäten der BFOs erwies sich das bei längeren Fahrten als Notwendigkeit. Kurz: Ich wollte nach Hause. Noch ein Besuch bevor wir in das Lager umzogen, um restliche Dinge zusammenzupacken. Währenddessen erwies sich die Situation als immer schwieriger, es regnete unaufhörlich und ich steckte fest mit einem vermutlich durchgeknallten Mutanten.
Aus Verzweiflung beschloss ich, einen mitzutrinken und kaum hatte ich mich versehen, hatten wir schon die Flasche geleert und waren inmitten einer hitzigen Diskussion über die neuen Bootskates, ein Modell das noch gar nicht auf dem Markt war, aber wegen seines innovativen Antriebs bereits seit Monaten Gesprächsthema wo man nur hinhörte. Mir wurde schwindelig und langsam fielen mir die Augen zu. Es regnete und regnete. Ich legte mich für ein Weilchen in das überdimensionale Bett und schlief tief und fest ein.
Kaum aufgewacht, stellte ich fest, dass der Regen nachgelassen hatte. Ich fühlte mich schwach auf den Beinen und als ich zur Tür und ins Nebenzimmer sah wurde es noch schlimmer. Da saß der Zwerg auf dem Boden, meinen Rucksack neben sich, den gesamten Inhalt vor ihm verteilt. „Soso, aufgewacht?“ murmelte er in meine Richtung. „Straßenrennen also, interessant“ grinste er mich plötzlich an und mir wurde klar, dass er mich gleich erpressen würde. „Du wirst mir helfen“ zischte er. „Wir müssen mein Schiff retten“. Mir schossen tausend Gedanken durch den Kopf, zuallererst, Hilde, ich hatte nur noch ein paar Stunden bis zum vereinbarten Treffen. Vielleicht konnte ich ihn irgendwie anfunken. Dann, wie sollte ich dem Verrückten mit seinem imaginären Schiff helfen, mich auf eine Reise begeben zu einem der gefährlichsten Orte im Umkreis von zwei Planetensystemen. Ich sprang aus dem Bett auf, bemerkte einen stechenden Kopfschmerz und fing an, meinen Kram einzusammeln. Thermoskanne, Funkgerät, all mein Skateszubehör, alles hatte er hübsch verteilt. Ich war stinkwütend, vor Allem auf mich selbst, weil ich eingeschlafen war. Nun galt es, das Beste aus der Situation zu machen und möglichst schnell wieder meinen eigenen Plänen nachgehen. „Was hast du vor?“ fragte ich den
Kapitän. „Du kennst dich offenbar gut mit diesem ganzen Kram aus- du wirst den Antrieb reparieren.“ „Ich weiß nicht, ob ich das kann. Mit großen Schiffen kenne ich mich nur bedingt aus“ „Du wirst es versuchen.“ Er schnaufte wieder und schaute sich um. Packte ein paar Schräubchen und Zangen aus um sie gleich wieder in eine andere Tasche zu tun, holte dann noch drei Behälter mit grüner, zäher Flüssigkeit und stopfte sie in meinen Rucksack. Ich konnte nicht sagen, dass mir die Situation gefiel, nun war ich also Packesel und Schiffsmonteur. Und nur noch wenige Stunden bis Mitternacht, wo sich wieder die Infrastruktur ändern würde. Es müsste schnell gehen, dachte ich bei mir, entweder, wir kommen an und es gibt kein Schiff, dann düse ich sofort ab und überlasse den Verrückten, der mich erpressen wollte, sich selbst. Oder, falls es doch ein Schiff geben sollte, wäre das eine interessante Sache, die ich mir genauer ansehen müsste. Die Gedanken kreisten langsam und immer wieder um den brodelnden See, ich schaute mich um, ob ich irgendwas gebrauchen könnte. Schließlich montierte ich einige Gummimetallstreifen aus dem Backofen an meine Skates, warf noch ein paar Schräubchen, die ich in einer der Schubladen fand in meine Tasche. „Ihr habt hoffentlich anständiges Werkzeug auf eurem Superschiff“ meinte ich, total zynisch wie mir schien, aber er verstand mich noch nicht einmal. Es hatte aufgehört zu regnen. Ich seufzte innerlich und öffnete die Holztür, Spinnenweben fielen herunter und direkt an meiner Nase vorbei. Ich war mies drauf. Kurz überlegte ich, ob es in der Nähe nicht ein BFO geben würde das ich kurzschließen konnte, verwarf den Gedanken aber. Womöglich hatte der Zwerg einen Plan wie wir nun Kilometer zu dem angeblichen Schiff zurücklegen sollten.